Vorlesung

Lineare Funktionalanalysis

Sommersemester 2024
apl. Prof. Dr. Nils Ackermann
Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt

Stand 11. April 2024

Beruhend auf einem Skript von Prof. Dr. Weth

Inhaltsverzeichnis

1  Einführung
2  Normtopologien
 2.1  Normierte Räume und Prähilberträume
 2.2  Topologische Eigenschaften normierter Räume
 2.3  Stetige Abbildungen
 2.4  Vollständigkeit und Reihen
 2.5  Kompaktheit
3  Vollständigkeit
 3.1  Der Satz von Baire
 3.2  Gleichmäßige Beschränktheit
 3.3  Der Satz von der offenen Abbildung
 3.4  Der Satz vom abgeschlossenen Graphen
4  Räume messbarer Funktionen
 4.1  Präkompaktheit für Mengen stetiger Abbildungen
 4.2  Der Satz von Stone-Weierstraß
 4.3   L p -Räume
 4.4  Approximation in L p durch stetige Funktionen
5  Hilberträume
 5.1  Orthogonalität
 5.2  Anwendung auf ein Neumann-Randwertproblem
 5.3  Orthonormalsysteme und abstrakte Fourierreihen
 5.4  Klassische Fourierreihen
 5.5  Der Satz von Lax-Milgram mit Anwendungen
 5.6  Der Adjungierte Operator
6  Konvexität
 6.1  Der Satz von Hahn-Banach
 6.2  Dualität
 6.3  Trennungssätze
 6.4  Schwache Konvergenz und schwach -Konvergenz
 6.5  Reflexivität und gleichmäßige Konvexität
 6.6  Anwendung auf die L p -Räume
7  Spezielle Operatoren
 7.1  Kompakte Operatoren
 7.2  Fredholmoperatoren
 7.3  Die Fouriertransformation
 7.4  Der Rieszsche Darstellungssatz für Linearformen auf C
c(X)

A  Verweise in Skript und Videos

 A.1  Auflösung externer Verweise

 A.2  Korrespondenz interner Verweise

1  Einführung

Schwerpunkt der Vorlesung ist die systematische Untersuchung unendlich-dimensionaler normierter Räume und der stetigen linearen Abbildungen zwischen diesen Räumen. Die hierbei entwickelte Theorie ist Grundvoraussetzung für die Behandlung wichtiger Problemstellungen u.a. im Bereich der partiellen Differentialgleichungen, der mathematischen Physik, der Numerik und der Stochastik. Ein wesentliches Merkmal der Funktionalanalysis ist das fruchtbare Zusammenspiel analytischer und linear algebraischer Zusammenhänge. Eine Ausgangsfrage der linearen Algebra ist die Frage der Lösbarkeit linearer Gleichungssysteme der Form

T x = b .

Hier und im Folgenden seien 𝕂 = oder 𝕂 = und b 𝕂 m . Ferner sei eine Matrix T 𝕂 m × n gegeben. Die Menge der Lösungen x 𝕂 n ist gesucht. Lösbar ist dieses Gleichungssystem genau dann, wenn b im Erzeugnis der Spalten von T liegt; dies ist leicht zu entscheiden. Im Falle der Lösbarkeit kann man den affinen Lösungsraum dann als Summe einer speziellen Lösung und des Kerns von T schreiben, wobei man diesen Kern ebenfalls leicht durch Zeilenumformungen von T bestimmen kann. In der Funktionalanalysis betrachtet man u.a. ähnlich aussehende Probleme der Form

T u = f .
(1.1)

Hierbei ist f F gegeben und u E gesucht, wobei nun E und F unendlich-dimensionale Vektorräume über 𝕂 seien und eine 𝕂 -lineare Abbildung T : E F gegeben ist. In Anwendungen sind dabei u und f oft Funktionen, d.h. Elemente von Funktionenräumen. Wir werden sehen, dass wir zur strukturellen Untersuchung solcher unendlich-dimensionalen Probleme analytische Eigenschaften ins Spiel bringen müssen. Insbesondere werden wir voraussetzen, dass E und F normierte Vektorräume sind und T stetig ist.

Einfaches Beispiel

Wir betrachten die Ruhelage einer eingespannten Saite, deren Auslenkung in vertikaler Richtung durch den Graph einer Funktion u : [ 0 , 1 ] mit u ( 0 ) = u ( 1 ) = 0 beschrieben sei. Auf diese Saite möge nun die vertikale Kraft f ( x ) am Punkt x [ 0 , 1 ] wirken. Im Falle der Gewichtskraft wäre dies z.B.  f ( x ) = c für x [ 0 , 1 ] , wobei c als Produkt der Massendichte der Saite und der Schwerebeschleunigung g = 9 , 8 1 m s 2 gegeben ist. Die Form der Saite wird dann (bis auf eine Konstante) durch die Gleichungen

u ( x ) = f ( x ) x ( 0 , 1 ) , u ( 0 ) = u ( 1 ) = 0
(1.2)

beschrieben. Diese Gleichungen in den unendlich vielen Punkten x kann man zusammenfassend in der Form (1.1) schreiben, wenn man z.B. die Vektorräume

E : = { u C 2 ( [ 0 , 1 ] , 𝕂 ) | u ( 0 ) = u ( 1 ) = 0 } , F : = C ( [ 0 , 1 ] , 𝕂 )

und die lineare Abbildung T : E F , T u = u betrachtet. Glücklicherweise ist in diesem Fall das Problem eindeutig lösbar, und die Lösung ist gegeben durch

u : = T 1 f d.h. u ( x ) = ( T 1 f ) ( x ) = 0 1 G ( x , y ) f ( y ) d y für  y [ 0 , 1 ]

mit der Greenfunktion

G ( x , y ) = { ( 1 y ) x , x y ; ( 1 x ) y , x > y .

Man beachte, dass T 1 : F E ein sogenannter Integraloperator ist, den man als Matrix mit durch x , y [ 0 , 1 ] indizierten Einträgen betrachten kann. Damit wäre das einfache Problem (1.2) bereits gelöst. Allerdings schließen sich z.B. folgende wichtige Fragen an, auf welche die Funktionalanalysis Antworten geben kann:

Wir werden auf Probleme der Form (1.1) in systematischer Weise zurückkommen. Zuvor müssen wir aber grundlegende Eigenschaften von unendlich-dimensionalen normierten Räumen und stetigen linearen Abbildungen verstehen.

2  Normtopologien

2.1  Normierte Räume und Prähilberträume

Bezeichnungen: Stets seien 𝕂 = oder 𝕂 = und E ein 𝕂 -Vektorraum.

2.1 Definition.

(a)
Eine Abbildung : E heißt Halbnormauf E , falls für alle x , y E und λ 𝕂 gilt:
(N1)
λ x = | λ | x (Homogenität)
(N2)
x + y x + y (Dreiecksungleichung).

Es folgt dann: 0 E = 0 𝕂 0 E = (N1) | 0 𝕂 | 0 E = 0 und damit 0 = x + ( x ) (N2) x + x = (N1) 2 x , also

(N3)
x 0 für alle x E (Positivität).
(b)
Eine Halbnorm auf E heißt Norm, falls zusätzlich für alle x E gilt:
(N4)
x = 0 x = 0 (Definitheit).

In diesem Fall heißt das Paar ( E , ) normierter Raum.

2.2 Definition. Zwei Halbnormen 1 , 2 auf E heißen äquivalent, falls a , b > 0 existieren mit

a x 1 x 2 b x 1  für alle  x E .

Wir schreiben dann: 1 2 . Die Relation „ “ definiert Äquivalenzrelationen auf der Menge der Halbnormen und auf der Menge der Normen auf E .

2.3 Bemerkung und Beispiel.

(a)
dim E < Alle Normen auf E sind äquivalent.
(b)
E = 𝕂 N . Für x 𝕂 N und p [ 1 , ] sei
| x | p : = { ( | x 1 | p + + | x N | p ) 1 p , p < , max 1 i N | x i | , p = .

Bekannt aus der Analysis II: | | p : E ist eine Norm auf E . Dabei gilt die Höldersche Ungleichung:

i = 1 N | x i y i | | x | p | y | p  für alle  x , y 𝕂 N  mit p : = { p p 1 , falls  1 < p < , , falls  p = 1 , 1 , falls  p = .

Hier heißt p der zu p konjugierte Exponent. Beachte: p , q ( 1 , ) sind konjugiert g.d.w.  1 p + 1 q = 1 gilt.

(c)
Sei M eine beliebige Menge, und sei ( M , 𝕂 ) der 𝕂 -Vektorraum der beschränkten Funktionen u : M 𝕂 mit punktweisen linearen Operationen. Dann ist ( M , 𝕂 ) ein normierter 𝕂 -Vektorraum mit der Supremumsnorm definiert durch u : = sup z M | u ( z ) | . Der Beweis der Normeigenschaften ist sehr einfach. Ist M = , so notiert man die Funktionswerte von u ( , 𝕂 ) als Folge, d.h. man schreibt u = ( u k ) k mit u k = u ( k ) . Dann ist u = sup k | u k | . Kurzschreibweisen: ( M ) statt ( M , 𝕂 ) und statt ( ) = ( , 𝕂 ) .

Wir wollen im Folgenden weitere unendlich-dimensionale normierte Räume durch ein allgemeines Prinzip konstruieren. Dieses Prinzip liefert auch einen (alternativen) Beweis der Halbnormeigenschaften von | | p aus Bemerkung und Beispiel 2.3(b).

2.4 Definition.

(a)
Eine Teilmenge A E heißt
  • konvex, wenn für alle x , y A , λ [ 0 , 1 ] gilt: ( 1 λ ) x + λ y A ;

  • symmetrisch, wenn gilt: 𝜃 A = A für alle 𝜃 𝕂 mit | 𝜃 | = 1 ;

  • absolut konvex, wenn A konvex und symmetrisch ist;

  • absorbierend, wenn für jedes x E ein s > 0 existiert mit s x A .

(b)
Eine auf einer konvexen Teilmenge A E definierte Funktion
f : A { }

heißt konvex, wenn f ( ( 1 λ ) x + λ y ) ( 1 λ ) f ( x ) + λ f ( y ) für alle x , y A , λ [ 0 , 1 ] , gilt. Ist A absolut konvex, so heißt f absolut konvex, wenn f konvex und gerade ist. Dabei heißt f gerade, wenn f ( 𝜃 x ) = f ( x ) für alle x A und 𝜃 𝕂 mit | 𝜃 | = 1 gilt.

2.5 Bemerkung und Beispiel.

(a)
Ist eine Halbnorm auf E und r > 0 , so sind die Mengen U r ( 0 ) : = { x E | x < r } und B r ( 0 ) : = { x E | x r } absolut konvex und absorbierend.
(b)
A E ist absolut konvex genau dann, wenn λ x + μ y A für alle x , y A , λ , μ 𝕂 mit | λ | + | μ | 1 gilt.
(c)
Für n und Zahlen λ 1 , , λ n [ 0 , ) (Gewichte) mit i = 1 n λ i = 1 heißt i = 1 n λ i x i Konvexkombinationder Elemente x 1 , , x n E . Ist A konvex, so liegt jede Konvexkombination von Elementen aus A wieder in A .
(d)
Ist A E absolut konvex, so gilt i = 1 n λ i x i A für alle n , x 1 , , x n A und λ 1 , , λ n 𝕂 mit i = 1 n | λ i | 1 .
(e)
Sei I ein Intervall. Dann ist f C 1 ( I ) genau dann konvex, wenn f monoton wachsend ist.

Die Beweise von (a)(e) sind allesamt recht einfach.

2.6 Satz. Sei A E absolut konvex und absorbierend. Dann wird durch

x A : = inf { t > 0 | x t A } = inf { t > 0 | x t A } für  x E

eine Halbnorm auf E definiert.

Beweis.Da A absorbierend ist, erhält man x A < für alle x E . Zur Homogenität: Für x E und λ 𝕂 gilt

λ x A = inf { t > 0 | λ x t A } = inf { t > 0 | | λ | x t A } = inf { | λ | s | s > 0 , x s A } = | λ | x A .

Zur Dreiecksungleichung: Seien x , y E , und seien s , t > 0 mit x s , y t A . Mit λ = t t + s (also 1 λ = s t + s ) ist dann

x + y s + t = ( 1 λ ) x s + λ y t A

aufgrund der Konvexität von A , und somit folgt x + y A s + t . Durch Infimumbildung in s und t folgt x + y A x A + y A . □

_________________________ Ende des Inhalts für 2024-04-16 __________________________________

2.7 Definition und Satz. Für p [ 1 , ) sei p ( , 𝕂 ) die Menge aller Folgen x = ( x k ) k in 𝕂 mit k | x k | p < . Dann ist p ( , 𝕂 ) ein normierter 𝕂 -Vektorraum (bzgl. komponentenweiser Addition und Skalarmultiplikation) mit der Norm p definiert durch

x p : = ( k | x k | p ) 1 p für x = ( x k ) k p ( , 𝕂 ) .

Beweis.Offensichtlich ist die Nullfolge 0 p ( , 𝕂 ) . Seien x = ( x k ) k , y = ( y k ) k p ( , 𝕂 ) und λ 𝕂 . Dann ist

k | λ x k | p = | λ | p k | x k | p < ,

und somit λ x = ( λ x k ) k p ( , 𝕂 ) . Da die Funktion ( 0 , ) , t t p gemäß Bemerkung und Beispiel 2.5(e) konvex ist, gilt ferner

k | x k + y k | p k ( | x k | + | y k | ) p k ( 2 max { | x k | , | y k | } ) p = 2 p k max { | x k | p , | y k | p } 2 p k ( | x k | p + | y k | p ) <

und somit x + y = ( x k + y k ) k p ( , 𝕂 ) . Also ist p ( , 𝕂 ) ein 𝕂 -Vektorraum. Zudem ist

A : = { x p ( , 𝕂 ) | k | x k | p 1 }

eine absorbierende Teilmenge von p ( , 𝕂 ) , denn für x p ( , 𝕂 ) \ { 0 } gilt x x p A . Aufgrund der Konvexität der Funktion t t p ist A auch absolut konvex, wie man leicht nachprüft. Somit definiert

x A = inf { t > 0 | k | x k t | p 1 } = inf { t > 0 | k | x k | p t p } = ( k | x k | p ) 1 p = x p

eine Halbnorm auf p ( , 𝕂 ) gemäß Satz 2.6. Zum Beweis der Definitheit (N4) beachte man: x p = 0 k | x k | p = 0 x k = 0 für alle k x = 0 . □

2.8 Bemerkung.

(a)
Analog definiert man p ( I , 𝕂 ) für eine beliebige höchstens abzählbare Indexmenge I anstelle von , z.B.  I = . Kurzschreibweisen: p ( I ) statt p ( I , 𝕂 ) und p statt p ( ) = p ( , 𝕂 ) . Man beachte: Der Fall I = { 1 , , N } führt wieder zurück auf 𝕂 N .
(b)
Sind p , q [ 1 , ] konjugierte Exponenten, so gilt die Höldersche Ungleichung
k I | x k y k | x p y q für  x = ( x k ) k p ( I , 𝕂 ) y = ( y k ) k q ( I , 𝕂 ) .

Im Fall p = , q = 1 sieht man dies direkt:

k I | x k y k | k I x | y k | = x y 1 .

Im Fall p , q ( 1 , ) verwenden wir die Youngsche Ungleichung

a b a p p + b q q für  a , b 0 .
(2.1)

Diese Ungleichung beweist man leicht durch Minimierung der Funktion x x p p x b in [ 0 , ) für festes b 0 . Unter Verwendung von (2.1) folgt nun mit s = x p , t = y q :

k I | x k y k | = s t k I | x k s y k t | s t k I ( 1 p | x k s | p + 1 q | y k t | q ) = s t ( 1 p x s p p + 1 q y t q q ) = s t ( 1 p + 1 q ) = s t .

2.9 Satz. Sei p [ 1 , ) .

(a)
Für q ( p , ] gilt p q , p q , und x q x p für alle x p , aber q und p sind nicht äquivalent auf p .
(b)
lim q q p x q = x für alle x p .

Beweis.Übung. □

2.10 Definition.

(a)
Eine Abbildung h : E × E 𝕂 heißt hermitesche Formauf E , falls gilt:
(H1)
h ( , y ) : E 𝕂 ist 𝕂 -linear für alle y E ;
(H2)
h ( x , y ) = h ( y , x ) ¯ für alle x , y E . Insbesondere folgt: h ( x , x ) für alle x E .
(b)
Eine hermitesche Form h heißt positiv, falls h ( x , x ) 0 für alle x E gilt.
(c)
Eine positive hermitesche Form heißt Skalarprodukt, wenn für alle x E die Implikation h ( x , x ) = 0 x = 0 gilt. In diesem Fall schreiben wir oft x , y statt h ( x , y ) . Das Paar ( E , , ) heißt dann Prähilbertraum.

2.11 Bemerkung. Ist h eine hermitesche Form auf E , so gilt

h ( x , α y 1 + β y 2 ) = α ¯ h ( x , y 1 ) + β ¯ h ( x , y 2 )  für alle  x , y 1 , y 2 E , α , β 𝕂 .

Ist 𝕂 = , so ist h genau dann eine hermitesche Form, wenn es eine symmetrische Bilinearform ist.

2.12 Satz. Sei h eine positive hermitesche Form auf E . Dann gilt:

(a)
| h ( x , y ) | 2 h ( x , x ) h ( y , y ) für alle x , y E (Cauchy-Schwarz-Ungleichung)
(b)
Durch x : = h ( x , x ) ist eine Halbnorm auf E definiert. Diese ist genau dann eine Norm, wenn h ein Skalarprodukt ist.

Beweis.Übung. □

2.13 Beispiel. Sei I eine höchstens abzählbare Indexmenge. Dann ist 2 ( I ) ein Prähilbertraum mit Skalarprodukt , definiert durch

x , y : = k I x k y ¯ k  für  x = ( x k ) k I , y = ( y k ) k I 2 ( I ) .

Die Konvergenz der obigen Reihe folgt aus dem Majorantenkriterium, denn es gilt

| x k y ¯ k | = | x k | | y k | 1 2 ( | x k | 2 + | y k | 2 ) für alle  k ,

und die Reihen k | x k | 2 und k | y k | 2 konvergieren.

2.2  Topologische Eigenschaften normierter Räume

Wir wiederholen zunächst die grundlegenden topologischen Begriffe in metrischen Räumen.

2.14 Definition. Sei X eine Menge. Eine Metrikauf X ist eine Abbildung d : X × X [ 0 , ) , so dass für x , y , z X gilt:

(M1)
d ( x , y ) = 0 x = y ,
(M2)
d ( x , y ) = d ( y , x ) ,
(M3)
d ( x , z ) d ( x , y ) + d ( y , z ) .

Das Paar ( X , d ) heißt metrischer Raum.

2.15 Definition und Bemerkung.

(a)
Für A X , x X und 𝜀 > 0 setzen wir: diam A : = sup { d ( x , y ) | x , y A } ( Durchmesser von  A ) , dist ( x , A ) : = inf { d ( x , y ) | y A } ( Abstand von  x  zu  A ) , U 𝜀 ( x ) : = { y X | d ( y , x ) < 𝜀 } ( offene  𝜀 -Kugel um  x ) , B 𝜀 ( x ) : = { y X | d ( y , x ) 𝜀 } ( abgeschlossene  𝜀 -Kugel um  x ) , U 𝜀 ( A ) : = { y X | dist ( y , A ) < 𝜀 } ( offene  𝜀 -Umgebung von  A ) , B 𝜀 ( A ) : = { y X | dist ( y , A ) 𝜀 } ( abgeschl.  𝜀 -Umgebung von  A ) , A ¯ : = { x X | dist ( x , A ) = 0 } ( Abschluss von  A ) , int ( A ) : = Å : = { x A | 𝜀 > 0 : U 𝜀 ( x ) A } ( offener Kern von  A ) , A : = A ¯ \ Å ( Rand von  A ) .
(b)
A heißt
  • abgeschlossen, falls A = A ¯ ;

  • offen, falls A = Å ;

  • Umgebung von x , falls x Å ;

  • dicht in X , falls A ¯ = X ;

  • beschränkt, falls diam A < .

Es gilt:

  • U 𝜀 ( x ) , U 𝜀 ( A ) sind offen, B 𝜀 ( x ) , B 𝜀 ( A ) sind abgeschlossen;

  • A offen X \ A abgeschlossen;

  • X , sind offen und abgeschlossen;

  • Å ist offen, A ¯ ist abgeschlossen;

  • A ist abgeschlossen.

(c)
Seien A i X , i I ( I beliebige Indexmenge). Dann gilt:
  • Sind alle A i , i I , offen, so auch i I A i und, falls I endlich ist, auch i I A i .

  • Sind alle A i , i I , abgeschlossen, so auch i I A i und, falls I endlich ist, auch i I A i .

(d)
Sei a X und ( x k ) k X eine Folge. Falls d ( x k , a ) 0 für k , so nennen wir a Grenzwert der Folge ( x k ) k und schreiben a = lim k x k bzw.  x k a für k . Leicht zu sehen: Durch diese Eigenschaft ist a eindeutig bestimmt.
(e)
Ist E ein 𝕂 -Vektorraum, so induziert jede Norm auf E eine Metrik d , gegeben durch d ( x , y ) : = x y für alle x , y E . Ist ( X , d ) ein metrischer Raum und A X , so ist auch ( A , d ) ein metrischer Raum. Insbesondere ist jede Teilmenge eines normierten Raumes ein metrischer Raum mit der durch die Norm induzierten Metrik.
(f)
Die Eigenschaften „offen“ und „abgeschlossen“ hängen vom umgebenden metrischen Raum ab. Ist ( X , d ) ein metrischer Raum und M X , so gilt für A M :
  • A offen in ( M , d ) es existiert A X , A offen in X , mit A = A M ;

  • A abgeschlossen in ( M , d ) es existiert A X , A abgeschlossen in X , mit A = A M .

(g)
Sei E ein 𝕂 -Vektorraum. Zwei äquivalente Normen 1 und 2 auf E erzeugen die gleiche Topologie, d.h. das gleiche System offener Teilmengen. Für A E gilt also, dass A genau dann offen bzgl.  1 ist, wenn A offen bzgl. 2 ist. Gleichermaßen invariant bleiben die Eigenschaften „abgeschlossen“, „beschränkt“ und „dicht“, die Definitionen A ¯ und Å und die Konvergenz von Folgen. Insbesondere sind diese Begriffe im Vektorraum 𝕂 N , unabhängig von der Wahl einer Norm, wohldefiniert.

2.16 Definition. Der metrische Raum ( X , d ) heißt separabel, falls X eine abzählbare dichte Teilmenge besitzt. Hier und im Folgenden steht „abzählbar“ für „endlich oder abzählbar unendlich“.

2.17 Beispiel.

(a)
𝕂 N ist separabel, denn
  • N ist abzählbar und dicht in N

  • ( + i ) N ist abzählbar und dicht in N .

(b)
\ ist separabel, denn 2 + ist eine abzählbare und dichte Teilmenge von \ .

2.18 Satz. ( X , d ) separabel, A X ( A , d ) separabel.

Beweis.Nach Voraussetzung existiert eine abzählbare Menge Y = { y n | n } X , welche in X dicht liegt. Wir setzen

H : = { ( m , n ) × | B 1 m ( y n ) A }

und wählen b m , n B 1 m ( y n ) A für jedes ( m , n ) H . Da H abzählbar ist, ist auch die Menge

B : = { b m , n | ( m , n ) H } A

abzählbar. Ferner ist B dicht in A (Übung!). Es folgt, dass A separabel ist. □

2.19 Definition. Sei ( E , ) ein normierter Raum. Eine Teilmenge M E heißt total, falls span M ¯ = E gilt. Hier und im Folgenden bezeichne „ span M “ das Vektorraumerzeugnis von M in E , welches als der Unterraum aller Linearkombinationen von Elementen aus M bzw. äquivalent als der Schnitt aller Unterräume von E , welche M enthalten, gegeben ist.

2.20 Satz. Sei ( E , ) ein normierter 𝕂 -Vektorraum. Dann ist E genau dann separabel, wenn E eine abzählbare totale Teilmenge enthält.

Beweis. “: Sei E separabel. Dann existiert eine abzählbare Teilmenge M E mit M ¯ = E . Es folgt E = M ¯ span M ¯ E , also span M ¯ = E . Demnach ist M total.

“: Sei M E abzählbar und total. Wir setzen

D : = { k = 1 n a k v k | n , a 1 , , a n R , v 1 , , v n M } ,

wobei

R : = { ,  falls  𝕂 = , + i ,  falls  𝕂 = ,

sei. D ist abzählbar, da M und R abzählbar sind.

Seien nun x E und 𝜀 > 0 gegeben. Da M total ist, existieren v 1 , , v n M und λ 1 , , λ n 𝕂 mit

x k = 1 n λ k v k < 𝜀 2 .
(2.2)

Sei C : = k = 1 n v k . Da R dicht in 𝕂 ist, existieren a 1 , , a n R mit

| λ k a k | < 𝜀 2 C für  k = 1 , , n

Es folgt

x k = 1 n a k v k ( 2.2 ) 𝜀 2 + k = 1 n ( λ k a k ) v k 𝜀 2 + k = 1 n | λ k a k | v k < 𝜀 2 + 𝜀 2 = 𝜀 .

Da 𝜀 > 0 beliebig gewählt war, folgt x D ¯ . Somit ist D ¯ = E , und E ist separabel. □

2.21 Definition und Bemerkung.

(a)
Eine Folge ( x k ) k 𝕂 heißt finit, falls x k 0 für höchstens endlich viele k gilt. Sei F der 𝕂 -Vektorraum der finiten Folgen. Es gilt dann F p für alle p [ 1 , ] . Eine Basis B von F ist gegeben durch die Einheitsvektoren e k : = ( δ k j ) j = ( 0 , , 0 , 1 , 0 , ) , k . Für p [ 1 , ) ist F dicht in p (Übung), also B total in p . Es folgt mit Satz 2.20: p ist für p [ 1 , ) separabel.
(b)
ist nicht separabel (Übung).

_________________________ Ende des Inhalts für 2024-04-19 __________________________________

2.3  Stetige Abbildungen

Seien im Folgenden ( X , d X ) und ( Y , d Y ) metrische Räume.

2.22 Definition und Bemerkung. Seien f : X Y eine Abbildung und a X .

(a)
f heißt stetigin a , wenn lim n f ( x n ) = f ( a ) für jede Folge ( x n ) n in X mit lim n x n = a gilt. Dies ist bekanntermaßen äquivalent zu jeder der folgenden Eigenschaften:
  • Für alle 𝜀 > 0 existiert δ > 0 mit f ( U δ ( a ) ) U 𝜀 ( f ( a ) ) .

  • Für jede Umgebung V von f ( a ) in Y ist f 1 ( V ) eine Umgebung von a in X .

(b)
f heißt stetig, wenn f in jedem Punkt aus X stetig ist. Dies ist äquivalent zu jeder der folgenden Eigenschaften:
  • Für jede in Y offene Teilmenge V von Y ist f 1 ( V ) offen in X .

  • Für jede in Y abgeschlossene Teilmenge V von Y ist f 1 ( V ) abgeschlossen in X .

  • Für alle A X gilt f ( A ¯ ) f ( A ) ¯ .

(c)
Wir setzen C ( X , Y ) : = { f : X Y | f  ist stetig } und C b ( X , Y ) : = { f C ( X , Y ) | f ( X )  ist beschränkt } .

Ist speziell Y = 𝕂 (mit 𝕂 = oder 𝕂 = ), so schreiben wir kurz C ( X ) anstelle von C ( X , 𝕂 ) und C b ( X ) anstelle von C b ( X , 𝕂 ) .

2.23 Bemerkung.

(a)
Die Komposition stetiger Abbildungen ist stetig
(b)
Sind f n : X Y stetig für n und konvergiert die Funktionenfolge ( f n ) n gleichmäßig gegen f : X Y (d.h.  sup x X d Y ( f n ( x ) , f ( x ) ) 0 für n ), so ist auch f stetig.
(c)
Sind f , g : X Y stetig und ist { x X | f ( x ) = g ( x ) } dicht in X , so ist f g .
(d)
Die Mengen C ( X ) und C b ( X ) sind 𝕂 -Vektorräume. Genauer ist C b ( X ) ein abgeschlossener Unterraum von ( X ) bzgl. der Norm . Dies folgt aus (b), da die Konvergenz bzgl.  genau der gleichmäßigen Konvergenz entspricht. Falls nicht explizit anders bemerkt, betrachten wir C b ( X ) im Folgenden stets mit der Norm

2.24 Definition. Sei f : X Y eine Abbildung

(a)
f heißt gleichmäßig stetig, falls für alle 𝜀 > 0 ein δ > 0 existiert, so dass für alle x 1 , x 2 X die Implikation gilt: d X ( x 1 , x 2 ) < δ d Y ( f ( x 1 ) , f ( x 2 ) ) < 𝜀 .
(b)
f heißt Lipschitz- stetig, falls L > 0 existiert mit
d Y ( f ( x 1 ) , f ( x 2 ) ) L d X ( x 1 , x 2 )  für alle  x 1 , x 2 X .
(c)
f heißt Isometrie, falls d Y ( f ( x 1 ) , f ( x 2 ) ) = d X ( x 1 , x 2 ) für alle x 1 , x 2 X .
(d)
f heißt Homöomorphismus, falls f bijektiv ist und f sowie f 1 stetig sind. Existiert solch ein f , so heißen X und Y homöomorph. Wir schreiben in diesem Fall X Y .

2.25 Bemerkung.

(a)
Für eine Abbildung f : X Y gelten folgende Implikationen: f Isometrie f Lipschitz-stetig f gleichmäßig stetig f stetig.
(b)
Es gelte A X . Dann ist die Abbildung X , x dist ( x , A ) Lipschitz-stetig (mit Lipschitz-Konstante 1 ).

Seien im Folgenden ( E , E ) , ( F , F ) normierte 𝕂 -Vektorräume.

2.26 Satz. Sei T : E F 𝕂 -linear.

(a)
Äquivalent sind:
  • T ist stetig;

  • T ist stetig in 0 ;

  • T ( B 1 ( 0 ) ) ist in F beschränkt(Erinnerung: B 1 ( 0 ) : = { x E | x E 1 } );

  • T ist Lipschitz-stetig.

(b)
Ist dim E < , so ist T stetig.

Beweis. (a) bekannt und einfach.

(b) Man sieht direkt, dass eine Norm T auf E definiert ist durch x T : = x E + T x F . Nach Bemerkung und Beispiel 2.3(a) ist T äquivalent zu E , da E endlichdimensional ist. Somit existiert C > 0 mit

x T C x E für alle  x E ,

also insbesondere

T x F x T C x E C für alle  x B 1 ( 0 ) .

2.27 Definition.

(a)
Wir setzen
L ( E , F ) : = { T : E F | T ist linear und stetig } .

Man rechnet leicht nach, dass L ( E , F ) mit der Definition

T : = T L ( E , F ) : = sup x B 1 ( 0 ) T x F = sup x E \ { 0 } T x F x E

ein normierter Raum ist.

(b)
Der Vektorraum E : = L ( E , 𝕂 ) heißt topologischer Dualraumvon E .
(c)
Wir setzen L ( E ) : = L ( E , E ) (Raum der stetigen Endomorphismen von E ).
(d)
Eine bijektive 𝕂 -lineare Abbildung T : E F heißt topologischer Isomorphismus, falls T und T 1 stetig sind. Existiert eine solche Abbildung T , so heißen ( E , E ) und ( F , F ) topologisch isomorph. Wir setzen
Iso ( E , F ) : = { T : E F | T  ist ein topologischer Isomorphismus }

und schreiben kurz Iso ( E ) anstelle von Iso ( E , E ) .

(e)
Die Identität i d : E E schreiben wir meist als I : = i d , so wie in der Operatorentheorie üblich.

2.28 Bemerkung.

(a)
Die Elemente von L ( E , F ) nennt man auch beschränkte lineare Operatoren, und = L ( E , F ) nennt man die Operatornorm.
(b)
Ist T L ( E , F ) , so ist c = T die kleinste nichtnegative Zahl mit der Eigenschaft
T x F c x E für alle  x E .
(c)
Ist ( G , G ) ein weiterer normierter Raum und sind T L ( E , F ) und S L ( F , G ) gegeben, so gilt
S T x G S T x F S T x E für alle  x E ,

also

S T L ( E , G ) und S T S T ( Submultiplikativität der Norm ) .

Insbesondere gilt T n T n für T L ( E ) und n .

2.29 Beispiel.

(a)
Sei der 𝕂 -Vektorraum F der finiten Folgen (siehe Definition und Bemerkung 2.21) versehen mit , d.h.  x = sup k | x k | = max k | x k | für x F . Sei ferner T : F F definiert durch T ( x k ) k = ( 1 k x k ) k . Man sieht leicht, dass T bijektiv ist. Da ferner T x x für alle x F gilt, ist T auch stetig. Allerdings ist T 1 nicht stetig, da
1 k e k 0  in  ( F , )  und  T 1 1 k e k = e k = 1

für alle k gilt. Hier sei e k : = ( δ n k ) n F wie in Definition und Bemerkung 2.21 der k -te Einheitsvektor in F .

(b)
Sei 1 p < q . Dann ist die identische Abbildung T : ( p , p ) ( p , q ) stetig (da x q x p für alle x p gilt), aber T 1 ist nicht stetig, da q und p auf p nicht äquivalent sind.
(c)
(Integraloperatoren) Seien [ a , b ] , [ c , d ] kompakte Intervalle, und sei k : [ c , d ] × [ a , b ] stetig. Wir schreiben C [ a , b ] : = C ( [ a , b ] ) , C [ c , d ] : = C ( [ c , d ] ) und definieren die lineare Abbildung K : C [ a , b ] C [ c , d ] durch
( K u ) ( t ) : = a b k ( t , s ) u ( s ) d s für  t [ c , d ] .

Offensichtlich ist K wohldefiniert und linear. K ist stetig, denn für alle u C [ a , b ] und t [ c , d ] gilt

| ( K u ) ( t ) | a b | k ( t , s ) | | u ( s ) | d s M u

mit

M : = max c t d a b | k ( t , s ) | d s < ,
(2.3)

also K u M u für u C [ a , b ] . Es folgt somit K L ( C [ a , b ] , C [ c , d ] ) mit K M . Wir werden nun sehen, dass sogar K = M gilt. Sei dazu t 0 [ c , d ] ein Punkt, wo das Maximum in (2.3) angenommen wird. Für 𝜀 > 0 sei ferner

u 𝜀 C [ a , b ] definiert durch u 𝜀 ( s ) = k ( t 0 , s ) ¯ | k ( t 0 , s ) | + 𝜀

Da u 𝜀 1 ist, unabhängig von 𝜀 > 0 , gilt

K K u 𝜀 | ( K u 𝜀 ) ( t 0 ) | = a b | k ( t 0 , s ) | 2 | k ( t 0 , s ) | + 𝜀 d s ,

wobei das letzte Integral für 𝜀 0 nach dem Satz von der majorisierten Konvergenz gegen a b | k ( t 0 , s ) | d s = M konvergiert. Also ist auch K M , und insgesamt folgt Gleichheit. Spezielles Beispiel: Sei K L ( C [ 0 , 1 ] , C [ 0 , 1 ] ) der Lösungsoperator zum Problem (1.2) aus Kapitel 1, d.h. es gelte

K f ( t ) = 0 1 G ( t , s ) f ( s ) d s für  f C [ 0 , 1 ] t [ 0 , 1 ]

mit der Greenfunktion

G ( t , s ) = { ( 1 t ) s , s t ; ( 1 s ) t , s t .

Dann ist

K = max t [ 0 , 1 ] h ( t )

mit

h ( t ) = 0 1 | G ( t , s ) | d s = ( 1 t ) 0 t s d s + t t 1 ( 1 s ) d s = ( 1 t ) 0 t s d s + t 0 1 t s d s = 1 2 ( ( 1 t ) t 2 + t ( 1 t ) 2 ) = t ( 1 t ) 2 .

Es folgt K = 1 8 .

_________________________ Ende des Inhalts für 2024-04-23 __________________________________

2.4  Vollständigkeit und Reihen

2.30 Definition.

(a)
Eine Folge ( x n ) n in X heißt Cauchyfolge, wenn lim n sup m n d ( x m , x n ) = 0 gilt.
(b)
( X , d ) heißt vollständig, wenn jede Cauchyfolge in X konvergiert.
(c)
Ein vollständiger normierter Raum ( E , ) heißt Banachraum.
(d)
Ein vollständiger Prähilbertraum ( E , , ) heißt Hilbertraum.

In (c) und (d) bezieht sich die Vollständigkeit dabei auf die induzierte Metrik.

2.31 Bemerkung. Sei ( x n ) n X eine Folge.

(a)
Ist ( x n ) n konvergent, so ist ( x n ) n eine Cauchyfolge.
(b)
Ist ( x n ) n eine Cauchyfolge, so ist ( x n ) n in X beschränkt, d.h. die Menge { x n | n } X ist beschränkt.
(c)
Ist ( x n ) n eine Cauchyfolge und besitzt ( x n ) n eine gegen a X konvergente Teilfolge, so konvergiert bereits die Folge ( x n ) n selbst gegen a .
(d)
Ist ( x n ) n eine Cauchyfolge, ( Y , d ~ ) ein weiterer metrischer Raum und f : X Y gleichmäßig stetig, so ist auch ( f ( x n ) ) n eine Cauchyfolge (in Y ).

2.32 Satz. Sei A X .

(a)
Ist ( X , d ) vollständig und A X abgeschlossen, so ist auch ( A , d ) vollständig.
(b)
Ist ( A , d ) vollständig, so ist A abgeschlossen in X .

Beweis. (a) Sei ( x n ) n eine Cauchyfolge in A . Da X vollständig ist, existiert x = lim n x n X , wobei x A ¯ = A nach Voraussetzung gilt. Also konvergiert ( x n ) n in A .

(b) Sei x A ¯ . Dann ist x = lim n x n für eine Folge ( x n ) n in A . Nach Bemerkung 2.31(a) ist ( x n ) n eine Cauchyfolge in A , und damit konvergiert ( x n ) n nach Voraussetzung in A . Es folgt x A . Insgesamt folgt A = A ¯ . □

2.33 Bemerkung. Sei ( Y , d ~ ) ein weiterer metrischer Raum und f : X Y eine Abbildung.

(a)
Ist f eine Isometrie, so ist neben f auch f 1 : f ( X ) X gleichmäßig stetig, und aus Bemerkung 2.31(d) folgt:
( X , d )  vollständig ( f ( X ) , d ~ )  vollständig

Gilt dies, so ist f ( X ) abgeschlossen in Y nach Satz 2.32.

(b)
Ist f ein Homöomorphismus, so erhält f nicht notwendigerweise die Vollständigkeit: Seien z.B. X = und Y = ( π 2 , π 2 ) , jeweils versehen mit der Betragsmetrik d ( x , y ) = | x y | . Sei ferner der Homöomorphismus f : X Y gegeben durch f ( x ) = arctan x . Dann ist X vollständig und Y nicht, da Y X nicht abgeschlossen ist.

2.34 Bemerkungen und Beispiele.

(a)
Sind 1 , 2 äquivalente Normen auf einem 𝕂 -Vektorraum E , so gilt:
( E , 1 )  Banachraum ( E , 2 )  Banachraum

Allgemeiner gilt für zwei topologisch isomorphe 𝕂 -Vektorräume ( E , E ) und ( F , F ) :

E  Banachraum F  Banachraum
(b)
𝕂 n ist ein Banachraum (bzgl. jeder Norm). Ist ferner E irgendein normierter Raum mit n : = dim E < , so ist E topologisch isomorph zu 𝕂 n und damit ein Banachraum nach (a).
(c)
Jeder endlich-dimensionale Unterraum eines normierten Raums ist abgeschlossen nach (b) und Satz 2.32.
(d)
p ist ein Banachraum für p [ 1 , ] . Wir beweisen dies zunächst im Fall p < : Sei ( x n ) n eine Cauchyfolge in p , wobei wir x n = ( ξ n k ) k notieren. Sei k fest; für m , n gilt dann
| ξ m k ξ n k | p j | ξ m j ξ n j | p = x m x n p p ,

und somit ist die Folge ( ξ n k ) n 𝕂 eine Cauchyfolge. Da 𝕂 vollständig ist, existiert ξ k : = lim n ξ n k 𝕂 . Setze x : = ( ξ k ) k . Für alle gilt dann

k = 1 | ξ k | p = lim n k = 1 | ξ n k | p limsup n x n p p < Bemerkung 2.31 (b) .

Also ist k | ξ k | p < und somit x p . Für alle n , gilt zudem

k = 1 | ξ k ξ n k | p = lim m k = 1 | ξ m k ξ n k | p sup m n x m x n p p = : c n

und somit x x n p p c n . Nach Voraussetzung gilt zudem lim n c n = 0 und somit lim n x n = x in p ; dies war zu zeigen. Der Beweis für p = ist ähnlich, nur einfacher. Es gilt sogar:

(e)
Ist M eine beliebige Menge, so ist ( M ) ein Banachraum (Übung).
(f)
Nach Bemerkung 2.23(d) ist der Unterraum C b ( X ) abgeschlossen in ( X ) und damit ein Banachraum nach (e) und Satz 2.32(a).
(g)
2 ist ein Hilbertraum mit dem Skalarprodukt , aus Beispiel 2.13.

2.35 Satz. Seien E , F normierte Räume. Ist F ein Banachraum, so ist auch L ( E , F ) ein Banachraum. Insbesondere ist der Dualraum E eines normierten Raumes E stets ein Banachraum.

Beweis.Sei ( T n ) n eine Cauchyfolge in L ( E , F ) und c n : = sup m n T m T n für n . Dann gilt lim n c n = 0 . Für alle x E folgt

sup m n T m x T n x sup m n T m T n x = c n x 0 für  n ,

d.h.  ( T n x ) n ist eine Cauchyfolge in F . Aus der Voraussetzung folgt somit die Existenz von

T x : = lim n T n x F für alle  x E .

Aus der Linearität der Abbildungen T n und der Stetigkeit der linearen Operationen in F folgt direkt, dass auch die Zuordnung x T x linear ist. Ferner ist stetig und daher

T x = lim n T n x ( sup n T n ) x für alle  x E ,

d.h.  T ist stetig. Man beachte dabei, dass ( T n ) n wegen Bemerkung 2.31(b) beschränkt ist. Schließlich ist

( T T n ) x = lim m ( T m T n ) x ( sup m n T m T n ) x = c n x für alle  x E ,

d.h.  T T n c n 0 für n . Dies zeigt die Vollständigkeit von L ( E , F ) . □

2.36 Definition. Seien ( E , ) ein normierter Raum und ( x n ) n E eine Folge.

(a)
Wenn S : = lim n k = 1 n x k E existiert, so nennen wir die Reihe k x k konvergentund setzen k = 1 x k : = S .
(b)
Die Reihe k x k heißt absolut konvergent, wenn k = 1 x k < ist.

2.37 Satz. Sei ( E , ) ein normierter Raum. Dann gilt: E ist genau dann ein Banachraum, wenn jede absolut konvergente Reihe in E auch konvergent ist.

Beweis. “: Genau wie für E = bzw. („Cauchykriterium“), man muss nur alle Beträge durch Normen ersetzen.

“: Sei ( x n ) n E eine Cauchyfolge. Dann existiert für alle k ein τ k mit

sup m n x m x n < 2 k für  n τ k .

Wähle nun induktiv n 1 τ 1 und n k + 1 max { τ k + 1 , n k + 1 } für k . Dann gilt

x n k + 1 x n k 2 k für alle  k ,

also insbesondere

k = 1 x n k + 1 x n k k = 1 2 k = 1 ,

dh. die Reihe k ( x n k + 1 x n k ) konvergiert absolut. Nach Voraussetzung konvergiert sie damit auch, d.h. es existiert

x : = lim k x n k = x n 1 + lim k j = 1 k ( x n j + 1 x n j ) E .

Nach Bemerkung 2.31(d) konvergiert die Folge damit insgesamt gegen x , was zu zeigen war. □

2.5  Kompaktheit

Im Folgenden sei ( X , d ) ein metrischer Raum.

2.38 Definition und Bemerkung.

(a)
( X , d ) heißt kompakt, falls gilt: Ist I eine beliebige Indexmenge und sind U i X , i I , offene Mengen mit X = i I U i , so existiert eine endliche Teilmenge J I mit X = i J U i . Mit anderen Worten: Jede offene Überdeckung von X lässt sich auf eine endliche Teilüberdeckung reduzieren.
(b)
( X , d ) heißt präkompakt, wenn für alle 𝜀 > 0 eine endliche Teilmenge M X existiert mit X = B 𝜀 ( M ) (hier könnte man äquivalent auch U 𝜀 ( M ) nehmen; überlegen!).
(c)
A X heißt kompakt(bzw. präkompakt), wenn der metrische Teilraum ( A , d ) kompakt (bzw. präkompakt) ist. Somit gilt:
  • A ist kompakt genau dann, wenn für jedes Familie U i X , i I offener Mengen mit A i I U i eine endliche Teilmenge J I existiert mit A i J U i .

  • A ist präkompakt genau dann für jedes 𝜀 > 0 eine endliche Teilmenge M A existiert mit A B 𝜀 ( M ) (wobei B 𝜀 ( M ) hier die Umgebung von M in X bezeichne).

(d)
A X heißt relativ kompakt, wenn A ¯ kompakt ist.

2.39 Satz(Cantor). Sei ( X , d ) vollständig, und seien A n X , n , abgeschlossene, nichtleere Mengen mit A n + 1 A n für alle n und lim n diam A n = 0 . Dann ist A : = n A n nichtleer.

Beweis.Wähle x n A n für n . Nach Voraussetzung ist dann

x m A n für  m n .
(2.4)